Wars die brütende Hitze oder sind ein paar Hirnzellen der Schotterpiste zum Opfer gefallen? Aus irgendeinem Grund haben wir auf jeden Fall nach 500km durch Turkmenistan heute Mittag an der usbekischen Grenze die Idee, die 100km nach Buchara auch noch rasch zu fahren. A la, was erledigt ist, ist erledigt!
Am nächsten Tag ist das natürlich super: Endlich angekommen im Hotel, ausschlafen, Pause vom Velofahren. Doch bis dahin heisst es, bei 50°C dem Wind zu trotzen, der obwohl sich die Strasse langsam um 90° dreht, stets genau von vorne bläst. Dazu kommt, dass wir langsam unsere Wasserreserven aufbrauchen. Geldwechsel an der Grenze ist teuer, doch nun stehen wir da: Ohne Getränk und ohne Som. Glücklicherweise können wir einen 10l-Bottich Wasser mit Dollar bezahlen – bis wir in Buchara ankommen, ist dieser leergetrunken. Das Wissen, dass wir noch 3.5 Stunden auf dem Sattel sitzen müssen, die letzte Pause aber erst 20 Minuten her ist und wir bereits nicht mehr mögen, macht uns mental kaputt. Gegen Abend kehren die Menschen von der Arbeit auf den Feldern heim und wir kreuzen einheimische Velofahrer auf ihrem Dreigänger sowie auch jede Menge Eselwagen. Die Usbeken sind ein hup- und winkfreudiges Volk. Um unsere Aufmerksamkeit zu erhalten, pfeifen sie auch gerne von weit weg. Müde versuchen wir zurück zu winken oder wenigstens zu lächeln.
Wir erreichen Buchara spät abends und checken im erstbesten Hostel ein. Für einmal sind wir zu erschöpft, uns weitere Optionen anzusehen. Im Rustam & Zukhra fühlen wir uns wohl, auch wenn es eine halbe Baustelle ist. Neben einem Federbett verfügt unser Zimmer endlich wieder einmal über ein Bad mit Schüssel statt Plumpsklo. Wir schlafen wie die Herrgötter.
Am nächsten Tag erfahren wir, dass der Belgier Jean auch in der Stadt ist. Wir treffen uns mit ihm am späten Nachmittag – bis dahin liegen wir im Bett. 🙂 Abends erreicht zudem Lukas aus Deutschland Buchara und wir geniessen die nette Velofahrer-Gesellschaft. Am dritten Tag schaffen wir es früher aus dem Bett und wir sehen uns die Stadt an. Diese besteht aus unzähligen Lehmhäusern, was die Ortschaft in einem eintönigen beigen Farbton erscheinen lässt. Farbtupfer gibts dank den vielen Souvenirshops auf dem Bazar, der mit diversen Kuppeln überdacht ist. Dieser befindet sich gleich neben dem Springbrunnen Lyabi-Hauz im Stadtzentrum. Dies ist das letzte Überbleibsel der ca. 200 Bassins der Stadt, welche bis vor weniger als 100 Jahren alle noch mit Wasser gefüllt gewesen sind. Dieses Wasser ist aber nur selten gewechselt worden und da die Stadtbewohner die Pools gleichzeitig als Badewanne wie auch als Trinkwasserbrunnen verwendet haben, ist Buchara für etliche Seuchen bekannt gewesen – das Durchschnittsalter eines Bucharaners hat gerade mal 32 Jahre betragen… Heute tummeln sich Restaurants, Hostels und gegen Abend Ballon-, Souvenir- und Fastfoodstände ums Zentrum. Es ist schon sehr touristisch und steril hier, doch geniessen wir für einmal den etwas westlichen Touch – ein Hauch von Heimat. Zudem sitzen zu unserem Erstaunen im Restaurant direkt am Pool auch viele Einheimische. Da ist abends unter den Maulbeerbäumen ganz schön viel los.
Da sich das religiöse und kulturelle Zentrum Zentralasiens früher in Buchara befunden hat, stehen in der Altstadt viele Medresen (Koranschulen; im 16. Jahrhundert mehr als 100 Stück). Auch Moscheen, Karawansereien, eine grosse königliche Festung und ein fast 50m hohes Minarett sind zu besichtigen. Die Gebäude sind wunderschön, manchmal nur in beige, einige mit bemalten Backsteinen, oft in Blautönen, zu schönen Mustern angelegt. Hier haben sich die Restaurateure alle Mühe gegeben.
Wir besuchen auch den «richtigen» Bazar, wo Lokale ihre Einkäufe tätigen. Der Geldwechsel-Schwarzmarkt floriert in Usbekistan und so stehen an jeder Ecke unzählige Herren die ganz offen «Exchange?» fragen. Die grösste Note ist der 1000er-Schein und er hat einen Gegenwert von ca. 15 Rappen – das ist doppelt so viel wie auf der Bank. So tragen diese mobilen Wechselstuben also stets einen Sack gefüllt mit Geldbündeln mit sich rum. Wir bekommen deren vier – jedes ca. 2cm dick. Sie haben bei bestem Willen nicht im Portemonnaie platz. Bevor wir das Geld im Rucksack verstauen, muss es gezählt werden. Gerne werden nämlich Scheine vergessen oder einige durch 500er Noten ersetzt. Dies will geübt sein, die richtige Art wird uns aber von den Experten mit Freude gezeigt.
Es wird Zeit, weiterzuziehen und so fahren wir aus Zeitgründen mit dem Zug in ca. vier Stunden nach Samarkand. «Velosiped?» Nein, das sei nicht möglich im Zug mitzunehmen. Jetzt haben wir die Dame am Ticketschalter doch extra gefragt! Hmmmm. Ok, mal schauen… Und voilà, nach einigem Hin und Her klappts dann ohne Probleme. 🙂
In Samarkand landen wir schliesslich im Bahodir B&B und es stellt sich heraus, dass dieses mit dem lauschigen Innenhof hier «the place to be» ist. Die Schweizer Truck-Fahrer Isabella und Thomas, sowie Jean logieren hier und am nächsten Tag taucht auch Lukas auf.
Heute steht Sightseeing auf dem Programm. Noch vor Sonnenaufgang stehen wir beim Registan. Prompt kommt ein Wächter auf uns zu marschiert und bietet uns an, für 10$ auf dem Minarett den Sonnenaufgang zu geniessen und uns dann vor dem grossen Touristenansturm in aller Ruhe die drei Medresen anzusehen. Die Bauten beeindrucken uns. Einmal mehr ist extrem viel Zeit in die Konstruktion dieser detailbehafteten Gebäude investiert worden. Auch hier ergeben die farbigen Kacheln wunderschöne Muster und die vielen Holztüren sind mit unglaublicher Präzision geschnitzt worden. Leider sind vor einigen Jahren Mauern um die Sehenswürdigkeiten gebaut worden und so ist das Ganze nun isoliert von der restlichen, lebhaften Stadt. Unauthentisch ist auch die Nutzung der früheren Schul- und Schlafzimmer: Sie beherbergen heute Souvenirshops.
Zurück im Hostel geniessen wir das Frühstück und tauschen uns mit anderen Reisenden aus. Die Berichte eines französischen Paares machen uns richtig neugierig auf Nordindien! 🙂 Dann machen wir uns auf zur Moschee von Bibi Khanym, einst eine der grössten Moscheen der Welt – die Kuppel der Hauptmoschee ist über 40m hoch. Sie müsste dringend restauriert werden, scheint sie doch beinahe auseinander zu fallen. In der grossen Mittagshitze gehts beim Bazar vorbei, Richtung Hazrat-Hizr-Moschee, dann zur Shah-i-Zinda, eine Strasse, welche von Mausoleen gesäumt ist. Einmal mehr sind dies unglaubliche Bauwerke, auch wenn hier das Ergebnis der Renovation sehr enttäuschend ist: Die schön verzierten Innenräume sind oft weiss überstrichen worden! Von Aussen können wir uns kaum satt sehen, tausende farbige Kachelstücke sind zu kunstvollen Motiven nebeneinander gelegt worden. Die noch erhaltenen Innenräume zeigen zum Teil neben dem bunten Kachelkunstwerk auch eindrücklich gemalte Verzierungen und Bilder. Nach diesem tollen Besuch spazieren wir durchs ehemalige jüdische Viertel zurück zum Hostel. Wir geniessen ein gemeinsames Znacht mit anderen Reisenden und machen uns auf zum Bahnhof. Unser Zug steht bereits da und wir suchen im schon vollen Schlafwagen unsere zwei leeren Betten. Das Einladen des Gepäcks verläuft unerwartet problemlos und kaum haben wir uns hingelegt, ruckelt der Zug los.
Komplett in einer anderen Welt werden wir um 6:30 in der Früh in Darband aus dem Zug gespuckt. Nach dieser kurzen und etwas unruhigen Nacht sind wir noch ziemlich müde, als wir uns auf unsere Sättel schwingen. Die Landschaft ist steppenartig, die Farbe beige weiterhin vorherrschend, aber die Felsen leuchten in unterschiedlichen Farbtönen. Die Schaf- und Kuhherden sind als schwarze Punkte auf den Feldern auszumachen. Die Sonne heizt uns schon am morgen früh unerbärmlich auf. Nach ein paar Steigungen geht es bergab, durch unglaublich faszinierende Steinformationen. Vorbei an einem Checkpoint, doch haaaalt, erst Pässe zeigen, bitte! Die Polizisten und schaulustige Locals haben schon vor unserer Ankunft ein Riesengaudi und sind sichtlich erfreut, zwei Touristen ausfragen zu können: Woher wir denn seien? (Aus unseren Pässen ist dies für die Polizisten seit Turkmenistan nicht mehr ersichtlich.) Wie wir heissen? Ob wir verheiratet seien? Wieviele Kinder wir hätten? «Keine». Nach einem Blick in den Pass und auf Sabines Geburtsjahr schaut er mitleidig zu Sämy: «28 und noch keine Kinder?!» So a la: «Was hast du denn dir da für eine geschnappt…?!» Die Gruppe bricht erneut in schallendes Gelächter aus, wir erhalten die Pässe zurück und freie Weiterfahrt.
Unsere Mittagspause verbringen wir mit Kinder-Unterhaltung anstatt mit Schlafen und darum legen wir bald nochmals einen Pfüüsistopp ein. Als Sabine später am Strassenrand stoppt, hält plötzlich ein Auto neben ihr. Die Türen gehen auf und zwei Frauengesichter strahlen sie an. «Salamaleikom.» (Zeichensprache:) «Dürfen wir ein Foto mit dir schiessen?» – «Klar!». Klickklick. «Kannst du russisch?» – «Njet!», «Oh, hmmm.» Dann auf russisch: «Woher bist du?» – «Schwizaria», (Mit Zeichensprache:) «Hast du Kinder?» – «Yok», keine Kinder. «Ah, was?!» (erstauntes Schweigen…) Mit einem «Rahmat» (Danke) und dem Angebot, das Velo hinten aufs Auto zu binden, verschwinden sie wieder im Wagen. Als Dank streckt eine Hand Sabine ein Brot entgegen und weg sind sie. 🙂
Wir erspähen Dorfausgangs eine ideale Zeltplatzwiese und fragen die zwei Frauen auf dem Feld um ihre Erlaubnis. Diese deuten uns allerdings, mit ihnen mitzukommen und so landen wir bei Husan und seiner Familie. Auch hier sind Nationalität, Alter, Zivilstand und Anzahl Kinder die brennendsten Fragen unserer Gastgeber. Jedes Mal begegnen uns die Leute mit riesigem Erstaunen, dass wir weder Russisch können noch Kinder haben. Die Schwiegertochter ist nämlich erst 21 und hat schon zwei Kinder und die usbekische Durchschnittsmama gebärt deren vier! Wir werden supernett umsorgt mit gutem Essen und Chai. Die eigenen Trauben, Pistazien und Mandeln, ofenwarmes Brot, Tomaten, Melone, selbstgemachtes Joghurt sowie frisch zubereitete Tomatenpasta werden aufgetischt. Alles einfach herrlich! Schlafen dürfen wir auf der Terrasse unter wunderschönem Sternenhimmel.
Morgens sind alle schon früh auf. Sämy’s Verdauung hat seit ein paar Tagen etwas zu kämpfen und so fahren wir mit reduzierten Kräften los. Auch heute sind wir fast non-stop am Winken und «Hello»-sagen. Es hupt und pfeift von allen Seiten. Neuer Trend der Kinder auf dieser Strecke ist zudem das High-Five. Der Strassenbelag ist nicht immer in bestem Zustand und es hat starken Verkehr. Diese Kombination lässt das Velofahren recht anstrengend werden. Und als wir das Pamirgebirge im Dunst erkennen, träumen wir bereits ein bisschen von weniger Zivilisation…
Am nächsten Tag stehen wir um 7 Uhr an der Grenze. Uns erwartet das volle Programm: Gepäckkontrolle durch den Scanner, alle verdächtigen Taschen (deren 9 von 12) öffnen und ausräumen, Apotheke auspacken, Fotos auf allen Kameras, Handys und Tablet zeigen, alle Dollar zeigen, … Am Ende sind 100$ weniger da als erwartet. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob wir nicht genau Buch geführt haben oder der Herr Grenzbeamte sein Salär etwas aufgebessert hat. Es ist eine etwas ungemütliche Situation. Alles Diskutieren bringt nichts, ändern können wirs nicht mehr.
Die Tadschiken hingegen geben uns gegen den Deklarations-Zettel schon bei der ersten Station den Stempel in den Pass. Verwirrt suchen wir im nächsten Gebäude den Gepäck-Scanner. Es ist nichts los. Eine einzige Zollbeamtin sitzt im ansonsten verlassenen Raum. «Velosiped?» – Wir dürfen einfach durchfahren, gibt uns die Dame zu verstehen. Tadaaa, so schnell kanns gehen: E-Visa innerhalb von 2 Stunden erhalten und Grenzübertritt nach 10 Minuten geschafft, das ist Rekord – Rahmat Tadschikistan!
Very cool adventure.
I loved how you had a bag full if money but it was worthles 🙂
Rose and I are good. We enjoyed Switzerland very much. I loved the Olympic museum in Lausanne and we even saw an fc basel match
Be safe and take care