Nach dem Grenzübertritt heisst es ein weiteres Mal für uns “neues Land, neue Welt”. Ortstafeln sind nun nicht nur in lateinischer, sondern auch in kyrillischer Schrift angeschrieben, ein anderer Wechselkurs für gleichbleibend günstige Produkte, duzende Minarette und Frauen mit Kopftüchern weisen auf die muslimische Mehrheit der Bevölkerung hin und erstmals schüchtern uns streunende Hunde – teils in Rudeln – ein. Immerhin: Unsere beschränkten kroatischen Sprachkenntnisse taugen weiterhin. Kaum kommen wir aus dem Supermarkt, werden wir auch schon von Neugierigen umzingelt und befragt. Dafür reicht unser Sprachwissen dann aber doch nicht und so helfen wir uns mit ein paar deutschen Wörtern, Händen und Füssen.
Eigentlich wollen wir aufgrund der vielen noch immer verminten Gebiete in Bosnien und Herzegowina die ersten Nächte lieber in einem Hotel, Appartment oder auf einem Camping verbringen, bis wir die Situation besser einschätzen können. Doch all diese touristischen Einrichtungen suchen wir im Nordwesten des Landes vergebens und schlagen schliesslich unser Zelt an einem Fluss auf einer Wiese auf, die im Sommer als Badi benutzt zu werden scheint.
Am sonnigen Ostersonntag sind viele Menschen draussen auf den Feldern oder irgendetwas am Bauen und auch alle Läden haben geöffnet. Die muslimisch geprägte Gegend lässt Ostern offensichtlich ziemlich kalt. Das färbt auf uns ab und wir geniessen einen “gewöhnlichen” aber herrlichen Velotag durch ländliche Gegenden. Einige Familien müssen wohl Besuch von Verwandten erhalten haben: Wir begegnen fast mehr Autos mit österreichischem und auch einigen mit deutschem oder schweizerischem Kennzeichen, als mit Bosnischem…
Am folgenden Tag führt uns unsere Route durch Banja Luka, wo wir gerne einen Kaffee trinken wollen. Nach einer kurzen Fahrt durch die Altstadt finden wir aber nichts gemütliches (hier darf man noch in den Cafés und Restaurants rauchen, was wir uns nicht mehr gewöhnt sind 😉 ). Also fahren wir weiter. Bald gehts durch imposante Schluchten, deren Flüsse fürs Kajakfahren berühmt sind. Die Fahrt über den anschliessenden Pass ist absolut lohnenswert. Tief unter uns schlängelt sich der grün-blaue Vrbas durchs Gestein. Auch die Abfahrt geniessen wir in vollen Zügen durch die weiterhin spektakuläre Schlucht. Während die Strasse durch Tunnels führt, hat sich das Wasser seinen Weg in einer 270°-Kurve um den Fels herum gebahnt. Dank wenig Verkehr können wir viel anhalten und Fotos schiessen.
Unser Etappenziel, Jajce, stellt sich als schöne Stadt heraus mit Wasserfall (die Pliva fliesst in die Vrbas-Schlucht) und einer Burg mitten in der Stadt. Unser Camping ist dann leider nicht ganz so toll und so verzichten wir auf die (kalte) Dusche.
Wir folgen noch eine Weile dem Fluss, bis kurz nach Donji Vakuf die Steigung zum 927 m.ü.M. liegenden Pass Komar beginnt. Die ersehnte Abfahrt führt uns nach Travnik, eine in Berge eingekesselte Stadt, wo noch Spuren des Bosnienkrieges zu sehen sind. Ohne gross Pause zu machen, fahren wir nach Stara Bila, wo wir einen liebevoll geführten Camping finden. Wie herrlich es ist, einmal schon am Nachmittag am Zielort anzukommen..! 🙂 Wir strecken die Beine aus, essen Glace und geniessen die Sonne. Nach einer warmen Dusche gönnen wir uns ein feines Znacht im Camping-Restaurant und schauen das Quali-Fussballspiel Schweiz – Bosnien und Herzegowina. Wir sind uns nicht ganz sicher, welcher Mannschaft der Wirt die Daumen drückt. Er hat als Flüchtling 10 Jahre in der Schweiz gelebt und scheint noch immer sehr mit ihr verbunden zu sein. Enttäuscht über die Situation im eigenen Land, findet er, dass alle Bosnier einmal für wenige Monate in die Schweiz kommen sollen, um zu sehen, wie sauber und ordentlich es sein könnte: Der unglaublich viele Abfall neben der Strasse, in Flüssen und Seen trübt schon das Bild der schönen Landschaft und regt zum Denken an. Andererseits würden wir gerne jeden Schweizer einmal nach Bosnien und Herzegowina schicken: Wie die drei Religionen (serbisch orthodox, katholisch und muslimisch) nebeneinander leben, fasziniert uns. Da sitzen junge Frauen gemeinsam im Kaffee, die Einen mit Kopftuch, die anderen ohne. Kirchen und Moscheen stehen im selben Dorf; da ruft der Muezzin zum Gebet, da läuten die Kirchenglocken…
Heute gehts nach Sarajevo. Wir wollen unbedingt eine neue Felge für Sämy finden und suchen nach Velogeschäften. Die ersten zwei können uns leider nicht weiterhelfen. Vor dem Einen treffen wir aber Muhamed, welcher uns gleich zum nächsten und übernächsten grossen Händler begleitet. Flink führt er uns über Trottoirs und Seitensträsschen. Mit seinem Mountainbike geht dies allerdings einiges einfacher als mit unseren schweren und trägen Velos. Leider werden wir aber weiterhin nicht fündig und verabschieden uns vorerst von unserem sarajevoschen Freund (der während des Krieges ein paar Jahre in Deutschland gelebt hat, weshalb wir uns mit ihm auf deutsch unterhalten können). Steil bergauf gehts zum Hostel Doctor’s House – unserem Nachtlager. Wir haben es über eine Plattform gefunden, welche Velofreunde auf der ganzen Welt zusammenführt und so kommt man gratis zu einer Übernachtung und einer warmen Dusche. Wir bekommen gleich zwei Nächte und sogar eine Kleiderwäsche geschenkt! Im superschönen Hostel treffen wir einige Backpackers und verbringen einen gemütlichen, gemeinsamen Abend.
Am folgenden Morgen machen wir mit Neno eine “Free Walking Tour” und lernen viel über die Geschichte von Sarajevo und Bosnien. Ein von der Schweiz nach dem Ende des Krieges gesponsertes Schachbrett-Feld auf einem Platz wird praktisch non-stop benutzt (der Springer musste darum auch schon mit einem Stück Holz geflickt werden). Am Ende landen wir mitten im belebten Markt der Altstadt und essen in einer Seitenstrasse ein lokales Menu (mit Käse und Trockenfleisch gefülltes Stück Fleisch und Beilagen). In einem gedeckten Innenhof lassen wir uns bosnischen Kaffee, Baklava und Tufahija (mit Creme gefüllter in Zuckersirup gekochter Apfel mit Schlagrahm-Haube) servieren.
Abends treffen wir erneut Muhamed, der mit uns (und 3 Packungen Popcorn) zur gelben Bastion und noch höher zur weissen Festung steigt, wo wir den Sonnenuntergang über Sarajevo geniessen. Zum Znacht gibts die beste Pita (Strudelteig gefüllt mit Schafskäse oder Kartoffeln), die wir je gegessen haben. Eine weitere Portion Baklava und Tulumba (ein längliches Spritzgebäck, ebenfalls mit einem Zuckersirup zubereitet) durften zum Dessert natürlich nicht fehlen. Zum Kaffee fahren wir auf die Terrasse im 10. Stock eines Hotels und geniessen dabei nochmals die Sicht auf Sarajevo von oben. Unsere Tour endet dann schliesslich bei einem Bier in der Tito-Bar. Wir erfahren unglaublich viel über diese Stadt und dieses Land. Und auch in sein Leben gibt uns Muhamed spannende Einblicke. Nach diesem gemeinsamen Abend kommt es uns vor, als hätten wir einen alten Freund getroffen und wir hoffen sehr, ihn irgendwann wieder zu sehen.
Bei bewölktem Himmel brechen wir Richtung Südosten auf. Schon beim ersten Aufstieg (zum Glück!) reisst Sämys Bremskabel. Dieses Missgeschick ist rasch repariert und wir setzen unsere Fahrt fort. Bald werden wir mit einem grossen Schild in der Republik von Srpska Willkommen geheissen und von nun an sind die Ortstafeln zuerst kyrillisch und erst dann in lateinischer Schrift angeschrieben. Oben auf dem Javorak-Pass angekommen, sehen wir weiter unten zwei sich langsam bewegende Punkte. Wir beschliessen zu warten und treffen zwei französische Tourenfahrer, mit denen wir lange quatschen. Leider haben wir andere Pläne als sie und so trennen sich unsere Wege auch schon wieder. Eine scheinbar unendlich lange Abfahrt folgt: Neben dem konzentrierten Blick auf die kurvige Strasse bleibt gerade genügend Zeit, um die wunderschöne Natur zu geniessen. Danach steigen wir wieder langsam, bis wir den Fluss Drina tief unter uns sehen. Sobald einige Kilometer nach Foča Campings angekündigt werden, fahren wir herunter zum Fluss. Hier scheint nach dem Winter noch nicht viel los zu sein. In einem Häuschen steht aber die Tür offen, also klopfen wir. Mirko, ein Raftingguide, wohnt hier das ganze Jahr über und lädt uns prompt auf den Tennismatch im Fernseher, sowie Bier und später Rakija (Obstbrandt) ein. Mit etwas Alkohol im Blut und leeren Mägen machen wir uns bei Dunkelheit ans Zeltaufstellen und kochen hungrig eine Fertigmahlzeit (wir haben heute alle unsere Reserven aufgegessen, aber zum Glück noch Notrationen dabei :-)). Nach einem gemütlichen Abend in Mirko’s Hütte fallen wir müde auf unsere Mätteli.
Dank Einkaufspatzer gibts am nächsten Tag zum Frühstück halt bloss einen Farmer. Dann aber gehts los in Richtung montenegrinische Grenze.
so schöner bericht.musste 2 mal tränen abwischen.
man fühlt sich dabei.wünsche euch beiden frohes strampeln.
bis zum nächsten bericht.
yvonne aus allschwil
Liebe Yvonne
Es freut uns sehr, dass dir die Berichte gefallen und wir dir einen Einblick in unseren Reisealltag geben können! 🙂
Sonnige Grüsse nach Allschwil aus Mazedonien
Hey hier ist der Rapha wir haben uns auf dem Campingplatz in Venedig getroffen. Ich bin mittlerweile in Ankara (bin der Sava gefolgt bis Belgrad und dann ueber Bulgarien weiter) und fahre ueber Geogrgien und Armenien weiter. Ich wollte euch mal fragen, wie eure China Einladung aussieht. Steht da schon ein Einreisedatum drauf? Falls ihr sie eingescannt habt koennt ihr sie mir per mail schicken, damit ich es als Vorlage benutzen kann fuer meine Einladung, die ich uber einen Freund in Shanghai besorgen moechte?
Waere super nett!!
Gruesse und euch ein schoenes vorrankomen
So schöni Bricht immer! Ich freu mi immer so, wenn wieder e neue druf isch. E super Abwägslig zum schaffe, do het me fascht sälber bitz s Gfühl unterwägs zsi. =)